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Uruguay und Argentinien: wichtige Partner, um die EU und Lateinamerika einander näher zu bringen

Blog des HR/VP – Diese Woche war ich einer der Vorsitzenden auf der Ministertagung EU-CELAC in Buenos Aires. Im Vorfeld dieser Veranstaltung traf ich viele der führenden Politikerinnen und Politiker Uruguays und Argentiniens. Die beiden Länder sind wichtige Partner, um Lateinamerika und Europa einander näher zu bringen. Dieses Ziel verfolge ich bereits seit Beginn meiner Amtszeit, doch nun, in Zeiten wachsender geopolitischer Spannungen, muss es noch dringender erreicht werden.

„Uruguay und Argentinien sind wichtige Partner, um Lateinamerika und Europa einander näher zu bringen.“

 

Uruguay ist mit seinen 3,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, einer stabilen Demokratie und einem fortschrittlichen Gesellschaftsmodell eines unserer engsten Partnerländer in Lateinamerika. Obwohl enge Beziehungen zwischen der EU und Uruguay bestehen, war mein Besuch der erste eines HR/VP in bilateralem Rahmen. Ich hatte die Gelegenheit zu Treffen mit dem Präsidenten, Luis Lacalle Pou, der Vizepräsidentin und Präsidentin des Senats, Beatriz Argimón, dem Außenminister, Francisco Bustillo, und der Wirtschaftsministerin, Azucena Arbeleche.

EU mit Abstand größter Investor in Uruguay

Die EU ist mit 40 % des Bestands an ausländischen Direktinvestitionen im Land der mit Abstand größte Investor in Uruguay, wobei diese Investitionen zudem in den letzten Jahren rasch gestiegen sind. Mehr als 600 EU-Unternehmen sind im Land in Schlüsselbereichen wie Zellstoffindustrie, Logistik, Bankwesen, Telekommunikation und Tourismus tätig. Im Jahr 2019 begann das finnische Unternehmen UPM mit dem Bau einer weiteren Zellstoff-Produktionsanlage und einem neuen spezialisierten Hafenterminal im Wert von 3 Mrd. €. Dies ist eine der größten privaten Investitionen in der Geschichte Uruguays.

Zellstoff macht nahezu 50 % der Ausfuhren Uruguays in die EU aus. Wir besichtigten das neue, beeindruckende Hafenterminal, das Präsident Lacalle Pou Anfang Oktober eröffnet hatte. Parallel zu diesen Investitionen wurde von staatlicher Seite eine neue 300 km lange Eisenbahnstrecke errichtet, die die Zellstoff-Produktionsanlage mit dem Hafen verbindet. Das ist „Team Europa“ in Aktion: Unternehmen aus vier EU-Mitgliedstaaten waren an diesen Projekten – in den Bereichen Industrialisierung, Konnektivität und Innovation – beteiligt.

Was den Handel anbelangt, so ist China zum wichtigsten Exportmarkt Uruguays geworden, und die Regierung Uruguays beabsichtigt – des Wartens auf das Abkommen zwischen der EU und dem Mercosur müde – ein bilaterales Freihandelsabkommen mit China auszuhandeln. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass andere unseren Platz einnehmen, wenn wir nicht rasch Schritte setzen, um unsere Beziehungen zu Lateinamerika zu stärken. Selbst, wenn China zum wichtigsten Käufer landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus Uruguay geworden ist, sind wir nach wie vor diejenigen, die dazu beitragen, dass produktive Investitionen und Technologien ins Land kommen.

Uruguay bei erneuerbaren Energien führend

Uruguay ist dank eines stabilen und günstigen Investitionssystems bei erneuerbaren Energien eines der führenden Länder weltweit. Uruguay erzeugt dank der bedeutenden Wasserkraftkapazitäten des Landes nahezu seinen gesamten Strom aus erneuerbaren Quellen (97 %). Uruguay beabsichtigt außerdem, die Erzeugung von grünem Wasserstoff auszubauen. Das deutsche Unternehmen Enertag hat vor Kurzem eine Investition von 800 Mio. $ für die Erzeugung von 15 000 Tonnen Wasserstoff mit Strom aus erneuerbaren Energien pro Jahr angekündigt. In Uruguay, und allgemein in Lateinamerika, gibt es große Chancen, grüne Energien auszubauen, um den globalen grünen Wandel voranzubringen.

In Uruguay, und allgemein in Lateinamerika, gibt es große Chancen, grüne Energien auszubauen, um den globalen grünen Wandel voranzubringen.

Nach Uruguay habe ich Argentinien besucht. Meine Beziehung zu diesem Land ist eine besondere: Mein Vater ist dort geboren. Ich hatte die Gelegenheit, bilaterale und globale Fragen mit dem Präsidenten, Alberto Fernández, der Vizepräsidentin Cristina Fernández de Kirchner, dem Außenminister, Santiago Cafiero, dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer sowie dem Regierungschef von Buenos Aires, Horacio Larreta, zu besprechen. Vor meiner Abreise werde ich auch den Wirtschaftsminister, Sergio Massa, treffen.

Ich begann meinen Besuch im „Parque de la Memoria“, einem Park zum Gedenken an die 9000 Menschen, die in der Zeit der Militärdiktatur ermordet wurden. Der Park liegt am Ufer des Río de la Plata in Buenos Aires und erinnert an das Schicksal zahlreicher Opfer, die aus Flugzeugen in den Fluss geworfen wurden. Norma Hochbaum, die Direktorin des Parks, und Nachkommen der Opfer haben mich bei diesem Besuch begleitet. Es war eine Erfahrung, die mich tief bewegt hat; vor allem die Konfrontation mit dem dramatischen Schicksal der über 400 Kinder der Opfer, die vom Militär entführt worden waren und aufgewachsen sind, ohne ihre wahre Herkunft zu kennen. Dank der DNA-Datenbank, die die mutigen Großmütter der „Plaza de Mayo“ aufgebaut haben, konnte die wahre Identität einiger dieser Kinder festgestellt werden, und sie konnten herausfinden, wer ihre leiblichen Eltern waren. Einer dieser Söhne erzählte mir seine schmerzvolle Lebensgeschichte. Bewegend war das auch deshalb, weil wir gerade jetzt von durchaus ähnlichen Verbrechen hören, die von Russland in der Ukraine begangen werden. Im kommenden Jahr feiert Argentinien den 40. Jahrestag seiner Rückkehr zur Demokratie. Dies ist eine wichtige Erinnerung daran, wie zerbrechlich die Demokratie nach wie vor ist, und wie hoch der Preis ist, wenn sie zu Sturz kommt.

Im kommenden Jahr feiert Argentinien den 40. Jahrestag seiner Rückkehr zur Demokratie. Dies ist eine Erinnerung daran, wie zerbrechlich die Demokratie nach wie vor ist, und wie hoch der Preis ist, wenn sie zu Sturz kommt.

Argentinien, ein Land mit 46 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern und die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas, befindet sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Die Inflationsrate liegt bereits bei über 70 % pro Jahr, und die wirtschaftliche Erholung von 2021 und Anfang 2022 ist vorbei. Aufgrund der massiven Kosten für Einfuhren von Gas und Öl zu hohen Preisen musste die Regierung die Kapitalverkehrskontrollen verschärfen. Es ist zu erwarten, dass die argentinische Wirtschaft in eine Rezession fällt und Armut und soziale Spannungen verschärft werden.

Unternehmen aus der EU sind in Argentinien seit mehr als 100 Jahren vertreten

Die EU unterhält starke Wirtschaftsbeziehungen zu Argentinien: Wir sind Argentiniens erster Investitionspartner und zweiter Handelspartner außerhalb von Lateinamerika nach China. Unternehmen aus der EU sind seit Jahrzehnten in Argentinien vertreten, einige seit mehr als 100 Jahren, und 44 % des Bestands an Auslandsinvestitionen in diesem Land kommen von diesen Unternehmen. Sie haben das Land durch alle wirtschaftlichen Höhen und Tiefen begleitet und Beschäftigungsmöglichkeiten für hunderttausende Menschen in Argentinien (etwa 290 000 direkte Arbeitsplätze) geschaffen. Im Gegensatz dazu gibt es in Argentinien, wie in Uruguay, chinesische Investitionen bisher nur in sehr eingeschränktem Umfang, und sie konzentrieren sich auf einige wenige Sektoren (z. B. Lithiumabbau) mit wenigen Arbeitsplätzen.

Lithium, ein wichtiger Faktor für Argentinien

Lithium ist ein wichtiger Faktor für Argentinien und ein wesentlicher Bestandteil für Elektrofahrzeuge und Batterien. Bolivien, Argentinien und Chile bilden das „Lithiumdreieck“, d. h. diese drei Länder sind weltweit führend bei den Lithiumreserven. Chinesische Unternehmen sind in Argentinien in diesem Sektor aktiv. Das einzige EU-geführte Lithiumprojekt in Lateinamerika ist zurzeit das französische ERAMET-Projekt in Argentinien. Ab 2023 sollten mit diesem Projekt 20 000 Tonnen Lithium pro Jahr produziert werden. Derzeit finanziert die Europäische Investitionsbank aufgrund von Umweltbedenken keinen Lithiumabbau. Angesichts der Bedeutung von Lithium für den grünen Wandel haben wir allerdings begonnen, diese Politik anzupassen. Unsere Zusammenarbeit mit Lateinamerika in diesem Bereich sollte sich nicht nur auf Rohstoffe konzentrieren. Wir sollten auch einen Beitrag zum Aufbau lokaler industrieller Wertschöpfungsketten im Umfeld dieser Rohstoffe leisten.

Argentinien verfügt auch über ein großes Potenzial als Energie-Exporteur – sowohl bei Erdgas als auch bei Wind- und Solarenergie. Der Sektor benötigt jedoch umfangreiche Investitionen für seine Entwicklung, und dafür ist ein stabiles und vertrauenswürdiges Investitionsklima erforderlich. Wir arbeiten derzeit an einer Vereinbarung über die Zusammenarbeit mit Argentinien im Energiebereich, die LNG, grünen Wasserstoff sowie weitere Energiequellen umfasst.

Im Anschluss an die Ministertagung EU-CELAC habe ich auch die Provinz Río Negro in Patagonien – eine dünn besiedelte Region – besucht, um ein Programm zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Projekte auf den Weg zu bringen. Mit Mitteln in Höhe von 6,3 Mio. € ist es das bedeutendste Programm dieser Art in Argentinien. Ich habe diese Gelegenheit auch für ein Treffen mit der Gouverneurin der Provinz Río Negro, Arabela Carreras, genutzt und mit ihr über ihre ehrgeizigen Projekte zur Erzeugung von grünem Wasserstoff gesprochen. Am Montag werde ich auch den Gouverneur der Provinz Neuquén treffen und das Unternehmen INVAP (Investigación Aplicada Sociedad del Estado, Staatliche Gesellschaft für angewandte Forschung), besuchen, ein argentinisches High-Tech-Unternehmen, von dem die geostationären Telekommunikationssatelliten des Landes, ARSAT 1 und 2, gebaut worden sind, die 2014 und 2015 von dem europäischen Unternehmen Arianespace in die Umlaufbahn gebracht wurden. Damals gehörte Argentinien zu den acht Ländern, die eigene geostationäre Satelliten entwickelten. Die Wirtschaft Argentiniens hat weit mehr zu bieten als Fleisch, Soja und Wein: Argentinien verfügt über beeindruckende High-Tech-Kapazitäten, und wir wollen unsere Zusammenarbeit auf diesem Gebiet ausbauen.

Sowohl in Uruguay als auch in Argentinien habe ich über den Krieg Russlands gegen die Ukraine und seine Folgen gesprochen. Beide Länder unterstützen die Ukraine in der Generalversammlung der Vereinten Nationen und in anderen multilateralen Foren stark. Meine Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner haben die Zusagen bekräftigt, für die territoriale Unversehrtheit der Ukraine einzutreten. Zudem sind sie willens, sich für den Frieden einzusetzen und dazu beizutragen, diesen Krieg rasch zu beenden.

Der Angriffskrieg Russlands macht es noch dringender erforderlich, die Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika zu stärken, um eine internationale Ordnung auf der Grundlage des Völkerrechts zu erhalten.

Der Angriffskrieg Russlands macht es noch dringender erforderlich, die Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika zu stärken, um eine internationale Ordnung auf der Grundlage des Völkerrechts, der Achtung der territorialen Integrität der Staaten und der grundlegenden Menschenrechte zu erhalten. Ferner sucht Europa nicht nur im Bereich der Energie und der Rohstoffe nach verlässlichen Partnern, sondern auch bei industriellen und High-Tech-Wertschöpfungsketten – im Sinne einer Stärkung unserer strategischen Autonomie in diesen Bereichen. Gewiss besteht Spielraum für eine Verstärkung des Handels und der Investitionen zwischen der EU und den lateinamerikanischen und karibischen Staaten.

Lateinamerika erwartet nicht nur Worte von uns, sondern Taten

Meine Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner aus Uruguay und Argentinien sind der Ansicht, dass diese Verstärkung in unserem gemeinsamen Interesse liegt. Doch sie erwarten nicht nur Worte von uns, sondern Taten. Dies betrifft zuallererst den Abschluss des Abkommens zwischen der EU und dem Mercosur, über das wir seit 20 Jahren verhandeln. Meines Erachtens geht es hier um viel mehr als um ein Handelsabkommen; es geht um den Weg zur Konkretisierung der strategischen Beziehungen zwischen Europa und Lateinamerika. Jetzt sind wir an der Reihe: Wir arbeiten daran, dem Mercosur einen Vorschlag für ein „zusätzliches Instrument“ vorzulegen. Auf diese Weise sollen die gegenseitigen Verpflichtungen in Fragen der Entwaldung, der Erhaltung der biologischen Vielfalt sowie der Umsetzung des Übereinkommens von Paris geklärt werden.

Die Europäische Union hat Lateinamerika zu lange vernachlässigt; wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Meine Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner in Uruguay und Argentinien haben mir das sehr deutlich zu verstehen gegeben. Das Thema stand auch im Mittelpunkt der Gespräche auf der ECLA-Tagung und der Tagung EU-CELAC. Auf diese beiden Veranstaltungen komme ich in einem späteren Blog-Beitrag zurück.

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"Ein Fenster zur Welt"- Blog des HR/VP Josep Borrell

Blog von Josep Borrell über seine Aktivitäten und die europäische Außenpolitik. Hier finden Sie auch Interviews, Stellungnahmen, ausgewählte Reden und Videos.