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G7 in Münster: Gemeinsam die wichtigsten geopolitischen Herausforderungen meistern

Zusammenfassung: Blog des Hohen Vertreters und Vizepräsidenten – Letzte Woche fand die Tagung der Außenministerinnen und Außenminister der G7 in Münster (Deutschland) statt. Zwar nahm der Krieg Russlands gegen die Ukraine eine zentrale Stellung auf der Tagesordnung ein, wir berieten jedoch auch über unsere Beziehungen zu China und die Lage in Iran und in Afrika. Zudem haben wir uns im Anschluss an das Gipfeltreffen des Berliner Prozesses, an dem ich Anfang der Woche teilgenommen habe, mit den jüngsten Entwicklungen auf dem Westbalkan befasst.

„Die Tagung der Außenministerinnen und Außenminister der G7 hat unsere große Übereinstimmung in Bezug auf die wichtigsten geopolitischen Herausforderungen gezeigt.“

 

Die Außenministerinnen und Außenminister der G7 wurden letzte Woche von meiner Kollegin Annalena Baerbock, der deutschen Außenministerin, für zwei Tage in der historischen Stadt Münster empfangen. Zunächst einmal waren wir uns alle darin einig, dass wir unsere Strategie in Bezug auf den russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine unverändert fortsetzen müssen: Wir müssen die Ukraine weiter unterstützen, weiter Druck auf Russland ausüben und die weitreichenden Folgen des Krieges abmildern.

Vor beinahe neun Monaten hat Wladimir Putin die rechtswidrige Aggression eingeleitet. Gemeinsam mit dem Außenminister der Ukraine Dmytro Kuleba, der uns per Videoverbindung zugeschaltet war, verurteilten wir die jüngsten Eskalationsmaßnahmen Russlands, einschließlich der Angriffe, die Russland mit Raketen sowie mithilfe von Drohnen und Ausbildern aus dem Iran auf die Zivilbevölkerung und auf zivile Infrastruktur, insbesondere auf Anlagen der Energie- und Wasserversorgung, verübt. Da es Putin nicht gelungen ist, die Ukraine zu erobern, ist es jetzt offensichtlich seine Absicht, die Bevölkerung der Ukraine zu terrorisieren und das Land zu zerstören.

„Da es Putin nicht gelungen ist, die Ukraine zu erobern, ist es jetzt offensichtlich seine Absicht, die Bevölkerung der Ukraine zu terrorisieren und das Land zu zerstören.“

Aber die Ukrainer verteidigen sich, und wir unterstützen sie nach Kräften. Die EU hat gemeinsam mit ihren Mitgliedstaaten über 19 Milliarden Euro zur Unterstützung der wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Resilienz der Ukraine bereitgestellt und militärische Unterstützung in Höhe von 3,1 Milliarden Euro geleistet. Unsere Unterstützung umfasst auch technische Hilfe bei der Reparatur der Energieinfrastruktur und die Lieferung von zusätzlichen Stromerzeugungsanlagen. Wir werden außerdem unsere humanitäre Hilfe aufstocken, was angesichts des bevorstehenden Winters noch dringlicher geworden ist. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Wirtschaft der Ukraine in Gang zu halten. Die EU wird ein umfangreiches Finanzpaket von bis zu 1,5 Milliarden EUR monatlich mit einer Gesamthöhe von 18 Milliarden EUR vorschlagen. Damit soll ein wesentlicher Beitrag zur Deckung des Finanzbedarfs der Ukraine für 2023 geleistet werden.

„Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Schwarzmeer-Getreide-Initiative über den 19. November hinaus verlängert wird. Es ist nicht hinnehmbar, dass Nahrungsmittel und Hunger als Kriegswaffe eingesetzt werden.“

Wir haben außerdem erörtert, dass unbedingt gewährleistet sein muss, dass die Agrarausfuhren der Ukraine die Welt erreichen können, und unsere uneingeschränkte Unterstützung der Bemühungen der Vereinten Nationen, Russland dazu zu bewegen, sich wieder an der Schwarzmeer‑Getreide‑Initiative zu beteiligen, zum Ausdruck gebracht. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Schwarzmeer-Getreide-Initiative über den 19. November hinaus verlängert wird: Russland darf keinen weiteren Vorwand nutzen, um seinen Verpflichtungen nicht nachzukommen. Es ist nicht hinnehmbar, dass Nahrungsmittel und Hunger als Kriegswaffe eingesetzt werden. Ich habe auch auf die Bedeutung der Solidaritätskorridore zwischen der EU und der Ukraine hingewiesen, die seit Beginn des russischen Krieges für den Transport eines Großteils der Ausfuhren von Agrarerzeugnissen und nichtlandwirtschaftlichen Erzeugnisse der Ukraine genutzt wurden.

Im Zusammenhang mit den weitreichenden Folgen des Krieges haben wir uns auch mit der Lage in Zentralasien befasst. Die Länder der Region blicken zunehmend auf die EU, da sie nach mehr Sicherheit und nach einer Diversifizierung ihrer Partnerschaften streben, auch in den Bereichen nachhaltige Konnektivität, nachhaltiger Handel und nachhaltige Energie. Nächste Woche werde ich zu einer wichtigen Konferenz über Konnektivität und zu dem vermutlich bedeutsamsten Ministertreffen zwischen der EU und Zentralasien nach Samarkand reisen.

China und der indopazifische Raum

Wir haben auch die Lage in China und im indopazifischen Raum erörtert und dabei Überlegungen zu den Ergebnissen des 20. Nationalkongresses der Kommunistischen Partei Chinas angestellt. Präsident Xi Jinping wurde ein drittes Mandat als Generalsekretär der Partei erteilt. Damit konsolidiert China offensichtlich seine Politik der Selbstbehauptung. Weitere Spannungen in der Meerenge von Taiwan könnten sich insbesondere störend auf die Beziehungen zwischen der EU und China auswirken, und wir müssen uns auf die verschiedenen möglichen Szenarien vorbereiten.

„Für die EU ist und bleibt China gleichzeitig ein wichtiger Wirtschaftspartner, ein globaler Konkurrent und ein systemischer Rivale. Rivalität und Konkurrenz gewinnen jedoch zunehmend die Oberhand.“

Für die EU ist und bleibt China gleichzeitig ein wichtiger Wirtschaftspartner, ein globaler Konkurrent und ein systemischer Rivale. Rivalität und Konkurrenz gewinnen jedoch zunehmend die Oberhand. Wir müssen den Wettbewerb mit China in allen Bereichen steuern und gleichzeitig auf eine konstruktive Zusammenarbeit hinwirken, wo dies möglich und in unserem Interesse ist. Hierzu gehören globale Herausforderungen wie Frieden und Sicherheit, globale Gesundheit, die Klima- und Biodiversitätskrise und die Erhaltung der natürlichen Ressourcen, insbesondere im Vorfeld einer Woche, der mit dem Beginn der COP 27 entscheidende Bedeutung zukommt.

Wir müssen gleiche Wettbewerbsbedingungen für unsere in China tätigen Unternehmen schaffen und dafür sorgen, dass unsere Abhängigkeiten nicht zu Schwachstellen werden. China spielt in vielen Lieferketten eine Schlüsselrolle. Unsere Abhängigkeit von China im Zusammenhang mit unserer Strategie für den Übergang zu einer grünen Wirtschaft ist gegenwärtig größer als unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland. China deckt 90 % unseres Bedarfs an Magnesium und 90 % unseres Bedarfs an Seltenen Erden und liefert 80 % der in der EU verwendeten Solarpaneele. Wir müssen darauf hinarbeiten, diese übermäßigen Abhängigkeiten zu verringern, indem wir unsere Schwachstellen beseitigen und unsere Resilienz stärken. Wir werden in Bezug auf China weiterhin mit unseren Partnern zusammenarbeiten – auch im Rahmen der G7.

„Unsere Abhängigkeit von China im Zusammenhang mit unserer Strategie für den Übergang zu einer grünen Wirtschaft ist gegenwärtig größer als unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland.“

Die schwierige Menschenrechtslage in China ist eine der am stärksten polarisierenden Fragen in den Beziehungen der EU zu China, und wir haben China aufgefordert, im Einklang mit seinen internationalen Verpflichtungen und rechtlichen Pflichten zu handeln. Unsere wichtigsten Anliegen sind Xinjiang, Tibet und die Innere Mongolei. Bei allen Treffen auf hoher und höchster Ebene mit Vertretern Chinas bringen wir diese Anliegen systematisch zur Sprache, und ich gehe davon aus, dass alle Mitgliedstaaten ebenso handeln. Wir werden weiterhin über unsere Differenzen sprechen, da wir uns der Tatsache bewusst sind, dass der Druck, den wir ausüben, nur dann etwas bewirken kann, wenn wir den Dialog nicht abreißen lassen.

Iran

Wir haben in Münster auch eine wichtige Diskussion über Iran geführt. Nach der Ermordung von Mahsa Amini dauern die Proteste an. Wir bewundern den Mut der iranischen Frauen, die bei den friedlichen Protesten an vorderster Front stehen. Dies habe ich meinem Amtskollegen Minister Abdollahian bei unserem Telefongespräch letzten Mittwoch deutlich zu verstehen gegeben. Die EU hat am 17. Oktober Sanktionen gegen diejenigen verhängt, die für das unannehmbare gewaltsame Vorgehen gegen die Proteste verantwortlich sind. Die EU hat außerdem im Anschluss an die äußerst besorgniserregende Lieferung iranischer Drohnen nach Russland Maßnahmen ergriffen.

In Bezug auf die Atomvereinbarung mit Iran entwickeln sich die Dinge nicht in die richtige Richtung. Bei den Standpunkten der Parteien ist keine Annäherung festzustellen. Iran muss konstruktiv mit der Internationalen Atomenergie-Organisation zusammenarbeiten. Ich habe Minister Abdollahian eindringlich aufgefordert, sich dafür einzusetzen.

Afrika

In Münster waren unsere Amtskollegen aus Kenia und Ghana sowie der stellvertretende Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union mit zugegen. Wir haben die geopolitische und strategische Bedeutung des afrikanischen Kontinents und die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit mit unseren Partnerländern in Afrika herausgestellt. Afrika ist ganz besonders von mehreren globalen Krisen betroffen, so von der Klimakrise, der noch andauernden COVID-19-Pandemie, von Rückschritten im Bereich der Demokratie sowie – als Folge des Krieges Russlands gegen die Ukraine – von Ernährungs- und Energieversorgungsunsicherheit.

„Afrika ist ganz besonders von mehreren globalen Krisen betroffen, so von der Klimakrise, der noch andauernden COVID-19-Pandemie, von Rückschritten im Bereich der Demokratie sowie von Ernährungs- und Energieversorgungsunsicherheit.“

Insbesondere in Bezug auf Äthiopien dürfen wir gerade jetzt, da der Konflikt in das zweite Jahr geht, die Zehntausende von Menschen nicht vergessen, die getötet wurden oder Opfer der schlimmsten Gräueltaten wurden. Die Menschenrechtsverletzungen, die Gräueltaten und die Verstöße gegen grundlegende Menschenrechte müssen unverzüglich eingestellt werden. Die Urheber dieser Verletzungen und Verstöße müssen zur Rechenschaft gezogen werden; Überlebenden und Opfern muss Gerechtigkeit widerfahren. In der vergangenen Woche gab es eine positive Nachricht: die Ankündigung der Einstellung der Feindseligkeiten. Wir begrüßen diese Entwicklung und fordern die Regierung von Äthiopien und die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) nachdrücklich auf, dieser Zusage in vollem Umfang nachzukommen und sie in vollem Umfang umzusetzen.

„Die afrikanischen Gesellschaften leiden nach wie vor darunter, dass Russland die Ausfuhr von Nahrungs- und Düngemitteln als Waffe instrumentalisiert.“

Generell leiden die afrikanischen Gesellschaften nach wie vor darunter, dass Russland die Ausfuhr von Nahrungs- und Düngemitteln als Waffe instrumentalisiert. Wir können es uns nicht leisten, an Boden zu verlieren, deshalb werden wir weiterhin mit unseren afrikanischen Partnerländern zusammenarbeiten, um resiliente und nachhaltige Agrar- und Lebensmittelsysteme sowie Energiesysteme aufzubauen, den Klimawandel einzudämmen und gegen Desinformation vorzugehen.

Die gemeinsamen Maßnahmen mit unseren Partnerländern in Afrika basieren auf den Prioritäten und Zielen, die auf dem Gipfeltreffen EU-Afrikanische Union im Februar vereinbart wurden, und insbesondere auf dem EU-Afrika-Investitionspaket „Global Gateway“. In diesem Bereich ist es wichtig, Synergien mit Initiativen der G7 herzustellen, wie beispielsweise mit der Partnerschaft für globale Infrastruktur und Investitionen. Afrika arbeitet auf eine Diversifizierung seiner Partnerschaften hin, und wir befinden uns in einem Angebotswettbewerb.

Westbalkan

Abschließend noch ein paar Worte zum Westbalkan, da ich letzte Woche auch an dem von Bundeskanzler Scholz ausgerichteten Gipfeltreffen des Berliner Prozesses teilgenommen habe. In der Region muss es sowohl im Hinblick auf die Resilienz als auch im Hinblick auf die Aussöhnung zu Fortschritten kommen. Im Zusammenhang mit dem Ziel der Resilienz haben wir auf dem Gipfeltreffen ein Energienothilfepaket mit einer Mittelausstattung von 1 Mrd. Euro angekündigt. Außerdem müssen wir die Länder der Region, die der Bedrohung durch Russland am stärksten ausgesetzt sind, verstärkt bei der Verbesserung der Cyberabwehrfähigkeit unterstützen. Wir arbeiten auch daran, dass im Westbalkan intensiver gegen russische Desinformation vorgegangen wird.

Angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine müssen wir dazu beitragen, das Auftreten neuer Konflikte in Europa zu verhindern. In den letzten Monaten gab es immer wieder Spannungen zwischen dem Kosovo und Serbien, insbesondere in der Frage der Kfz-Kennzeichen. Als Vermittler im Dialog zwischen Belgrad und Pristina habe ich den Parteien mit der Unterstützung des EU‑Sonderbeauftragten Miroslav Lajcak einen Vorschlag vorgelegt, um konkrete und unumkehrbare Fortschritte auf dem Weg zu einer umfassenden Normalisierung zu erreichen. Ich danke insbesondere Deutschland und Frankreich für ihre Unterstützung für diesen Vorschlag, über den derzeit mit beiden Parteien beraten wird. Wir fordern das Kosovo und Serbien nachdrücklich auf, bei der Normalisierung ihrer Beziehungen einen historischen Schritt nach vorn zu machen.

Diese nützlichen Treffen haben das Ausmaß der Übereinstimmung verdeutlicht, die zwischen den G7-Ländern bei den wichtigsten geopolitischen Herausforderungen besteht. Wir müssen die regelbasierte internationale Ordnung weiterhin mit vereinten Kräften verteidigen.

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"Ein Fenster zur Welt"- Blog des HR/VP Josep Borrell

Blog von Josep Borrell über seine Aktivitäten und die europäische Außenpolitik. Hier finden Sie auch Interviews, Stellungnahmen, ausgewählte Reden und Videos.